Fans in Krisenzeiten

Mit treuen Kunden durch die Krise

„Unternehmen mit hohen Fan-Quoten unter ihren Kunden überstehen eine Krise besser als andere.“ Davon ist Roman Becker, einer der führenden Experten im Bereich der „emotionalen Kundenbindung“ in Deutschland, überzeugt. Denn Fans seien besonders leidensfähig – und zwar nicht nur im Sport und in der Musik, sondern auch in der Wirtschaft, quer durch alle Branchen.

„Ein echter Fan würde lieber sterben als seine Mannschaft im Stich zu lassen“, weiß Becker aus mehr als 20 Jahren Fan-Forschung. Das habe sich sehr schön während der Pandemie beim Fußball gezeigt, als hunderte Fans vor gesperrten Stadien ausharrten, um ihren Idolen nahe zu sein. Das zeige sich aber auch ganz aktuell wieder in den sozialen Netzwerken, wenn tausende Fan-Kunden ihre Verbundenheit zu Unternehmen wie etwa Trigema oder Bosch öffentlich kundtun, Lob für spontane Angebote in der Krise aussprechen – und sich als Empfehler und Botschafter für Unternehmen einsetzen.

Was macht Fans aber so leidensfähig? Buchautor Roman Becker erklärt: „Eine Fan-Beziehung beruht auf einer emotionalen Bindung.“ Diese lasse den Fan auch in schwierigen Zeiten zu seinem Idol stehen – und für ein Fan-Erlebnis sogar Verzicht und sogar Krankheit in Kauf nehmen. Eine überwältigende Mehrheit der Fan-(Kunden) antworte in Befragungen, dass sie sich eine Welt ohne ihren Verein, ohne ihr Idol, ohne ihre Lieblingsmarke – man denke hier nur an Apple oder Coca-Cola – nicht vorstellen könne.

Fan-Kunden kaufen mehr

„Aus unserer Grundlagenforschung wissen wir, dass Unternehmen mit einer hohen Fan-Quote unter ihren Kunden und Mitarbeitern wirtschaftlich erfolgreicher sind als andere“, erklärt der Fan-Forscher. Sie profitierten in hohem Maße von ihren exzellenten Beziehungen zu den Kunden. „Denn diese kaufen mehr, sie kaufen häufiger, sie sind weniger preissensibel, sie bewerten Konditionen besser, haben den höchsten Deckungsbeitrag und sind beste Botschafter.“ Aber ein Fan-Merkmal sei aktuell ganz besonders wichtig: Fans bleiben auch in schlechten Zeiten treu.

Aktiv sein in der Krise

Die Corona-Krise war ein Bewährungstest für viele Unternehmen. „Auch Unternehmen, die es in der Vergangenheit gut geschafft haben, ihre Kunden zu Fans zu machen und langfristig zu binden, durften sich nicht ausruhen. Das gilt immer noch: Denn wer jetzt nicht nahe am Kunden ist und schnell auf Veränderungen in der Beziehungsqualität und in den Kundenbedürfnissen reagiert, verliert nach und nach seine Basis, nämlich die treuen Bestandskunden.“ Hier müssten Unternehmen schnell entlang der Bedürfnisse der Kunden neue Kommunikationsstrecken aufbauen – über alle Kanäle hinweg. Denn die enge Verbundenheit von Fan-Kunden beruhe auf der Wiederholung, auf Ritualen, immer und immer wieder. Nicht nur im Fußball, sondern auch bei Unternehmen zeige sich: „Fans brauchen häufige und exzellente Kontakte, die das Fan-Sein erlebbar machen.“

Fans in Krisenzeiten

Becker ist sich sicher: Fankunden sind die wichtigsten Mitstreiter in einer Krise. „Wo die „nur“ zufriedenen Kunden längst weitergezogen sind, stehen sie in einer Krise nicht nur zu ihrem „Star“, sie verteidigen ihn sogar in der Öffentlichkeit.“ Der Fan-Forscher zitiert ein Beispiel aus den sozialen Netzwerken: Fast zeitgleich habe es eine Panne gegeben – bei der Deutschen Bank und bei ALDI. Die Supermarktkette hatte Kunden den doppelten Wert ihres Einkaufs abgebucht. Bei der Deutschen Bank wurden dem Kunden Abbuchungen lediglich doppelt angezeigt. Die Diskussion wurde hitzig in den sozialen Netzwerken ausgetragen und war hochinteressant: Die Fankunden verteidigten ALDI und ersticken so den sich anbahnenden „shitstorm“ im Keim, während die Deutsche Bank dem „shitstorm“ ihrer Gegner nahezu „schutzlos“ ausgesetzt war. Zur Info: Aldi hatte zu dem Zeitpunkt eine Fan-Quote von 31 Prozent, die Deutsche Bank eine Fan-Quote von 11 Prozent.

Fans verzeihen …

„Fans verzeihen Fehler und auch schlechte Leistungen“, sagt Becker. Als ein Vorzeigebeispiel nennt er den Skandal um den ADAC. Vor einigen Jahren hatte der ADAC die Stimmabgaben für den Preis „Gelber Engel“ kurzerhand aufgebläht. Ein Aufschrei ging durch die Medien. Das Vertrauen der ADAC-Mitglieder schien irreparabel erschüttert. Weit gefehlt: Denn über 80 Prozent der ADAC-Mitglieder zählten zu der Gruppe der Fans oder Sympathisanten, spürten also eine hohe Zufriedenheit und eine starke emotionale Verbundenheit – vor allem zu der Kerndisziplin des Automobilclubs: schnelle Pannenhilfe. Fans retteten den ADAC aus der Krise.

…aber nicht jeden Fehler!

Fans verzeihen aber nicht alles. Dass Adidas, H& M, Deichmann und andere in der Pandemie mit einem hohen Gewinnen im Rücken ankündigten, die Mieten für die Läden nicht mehr zahlen zu wollen, hat den Unternehmen laut Becker nachhaltig geschadet. Zehntausende Adidas-Fans empörten sich in den sozialen Netzwerken, verbrennen ihre Lieblingsmarke als Symbol des Boykotts. „Solche Managementfehler müssen später wieder die Mitarbeiter in den Stores geradebiegen – denn nur sie können als Fan-Macher agieren und die Kunden weiterhin zu Fans machen. Wenn dies nicht gelingt, dann ist das das sichere Todesurteil für genau die Läden, für die die Miete gespart werden sollte, sagt Roman Becker.